Zuerst fehlten der Industrie die Bauteile, dann wurden weltweit Medikamente und Schutzausrüstung knapp. Die Covid-19-Pandemie hat uns die Verwundbarkeit der globalisierten Weltwirtschaft vor Augen geführt. ForscherInnen der Universität Graz zeigen auf, wie man mit der Stärkung lokaler Versorgung in Zukunft resistenter gegen solche Situationen sein könnte.
Das Zauberwort heißt „Glokalisierung“ – eine Symbiose aus Globalisierung und lokaler Wertschöpfung. Dabei geht es um die kluge Verbindung zwischen weltweitem Handel und regionaler Produktion. „Österreich ist hier schon sehr gut aufgestellt und könnte weiter von dieser Entwicklung profitieren“, meint Jörn Kleinert vom Institut für Volkswirtschaftslehre.
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, auch wenn die Auswirkungen des Klimawandels nicht so unmittelbar sichtbar werden wie die der Corona-Krise. „Leider wird es dagegen niemals einen Impfstoff geben. Und wenn wir die Lebensgrundlage für unsere Kinder und Enkel erhalten wollen, müssen wir entschlossen handeln“, unterstreicht Kleinert.
Der wesentlichste Faktor, der diese Entwicklung unterstützen könnte, ist der technologische Fortschritt, der überall auf der Welt eine billige Herstellung von Gütern erlaubt. „Ein Roboter verursacht keine Lohnkosten“, meint der Ökonom. „Und es ihm auch egal, wo er steht.“ Wenn man die problematisch langen Logistikketten also zu hinterfragen beginnt, könnten schon bald Produktionsstätten dezentralisiert und nach Europa oder Österreich zurückgeholt werden.
Die VolkswirtInnen Margareta Kreimer und Rudolf Dujmovits sind ebenfalls überzeugt: „Wir müssen die jetzt notwendigen konjunkturpolitischen Maßnahmen und Impulse ganz stark an Fragen der Nachhaltigkeit, des Klimaschutzes und der Regionalität ausrichten“, fordern die beiden. Das staatliche Füllhorn sollte gezielt dafür genutzt werden.
Chance im Kreislauf
Eine dezentralisierte Produktion alleine löst allerdings noch nicht alle logistischen und ökologischen Probleme. Denn Anlieferungen von Rohstoffen bleiben weiterhin nötig. „Durch die Kreislaufwirtschaft könnten diese im großen Stil reduziert werden“, betont Marc Reimann vom Institut für Produktion und Logistik. Am besten wäre es, zumindest einzelne Teile und Komponenten von nicht mehr gebrauchten Produkten systematisch wiederzuverwenden. Damit stünden sie als Sekundärrohstoffquellen für die Herstellung neuer Dinge zur Verfügung. „Am besten gelingt das, wenn schon bei der Konstruktion von Gütern auf kaum wiederverwertbare Verbundstoffe verzichtet wird“, ergänzt Dujmovits. Auch Geräte sollten so konstruiert werden, dass sie sich wieder zerlegen und damit auch reparieren lassen.
Nötige Vernetzung
Völlig kappen können wir unsere weltweiten Produktions- und Handelsverbindungen allerdings keinesfalls. Auch die Frage der sozialen Gerechtigkeit darf nicht außer Betracht gelassen werden. „Es wäre global gesehen sicher fatal, wenn Millionen NäherInnen in Südostasien ihren Job verlieren“, betont Margareta Kreimer. Als Alternative sieht sie eine Entwicklung von der Wegwerfkultur hin zu nachhaltiger Herstellung unter fairen Bedingungen. Den Zusammenhalt in Europa sieht ihr Kollege Jörn Kleinert als unabdingbar für das Florieren unserer Wirtschaft. „Die Konsequenzen eines Zerfalls der EU wären unendlich“, attestiert er. Zudem war die sofortige Schließung der nationalstaatlichen Grenzen ohne Abstimmung zwischen den Mitgliedsländern ein fatales Zeichen. Hier müsse dringend gegengesteuert werden. Ein Scheitern der Union würde gerade unser Land als einen Hauptprofiteur der europäischen Integration in gewaltige Schwierigkeiten stürzen. „Dagegen wäre Corona lediglich ein Krischen“, so Kleinert dazu.