Wir suchen Austausch und Anschluss in der virtuellen Welt, unser Privatleben ist längst öffentliches Gut. Eine neue Dimension erreicht das Verlangen nach Selbstbestätigung mit der Nutzung von Fitness-Apps: Jeder Schritt wird mitverfolgt, der Pulsschlag verglichen, die Ernährung dokumentiert. Welche Personen machen von dieser Technologie Gebrauch? Was bringt ihnen das? Und warum tauschen sie sich über ihre Gesundheit aus? Diesen Fragen ist die Kulturanthropologin Barbara Frischling nachgegangen. Sie hat sowohl im Selbstversuch als auch durch Interviews und Beobachtungen analysiert, welchen Nutzen Fitness-Apps haben – und wo eventuelle Fallen lauern.
Nahezu jedes Smartphone hat zumindest einen Schrittzähler installiert, dazu gibt es zahllose Anwendungen, die Laufstrecken mitverfolgen, verbrauchte Kalorien berechnen oder gezielte Übungen erstellen. „Diese Werkzeuge können grundsätzlich positiv wirken, weil die Leute dazu animiert werden, Sport zu treiben und mehr für ihre Gesundheit zu tun“, fasst Frischling zusammen. Abhängig sei das jedoch von den persönlichen Lebensumständen und Bedürfnissen, urteilt die Wissenschafterin. Sosehr der Vergleich mit der Community viele anspornt, so gefährlich kann er in ihren Augen unter Umständen auch sein: „Man muss immer darauf achten, welchen Idealen die NutzerInnen nacheifern. Wenn Jugendliche zu Essstörungen neigen, kann die kontinuierliche Motivation zu erhöhtem Kalorienverbrauch und intensiviertem Training auch problematische Effekte haben.“
Das Diktat der Zahlen
Extern festgesetzte Normen werden für den eigenen Körper oft als Maß aller Dinge angesehen. So lautet etwa eine gängige Empfehlung, dass 10 000 Schritte am Tag gesund sind. Viele Apps geben positives Feedback, sobald diese Marke erreicht ist. „Die NutzerInnen hinterfragen aber nicht, ob diese Zahlen für sie selbst in der aktuellen Lebenssituation auch wirklich passen“, wirft Frischling ein. Ein weiteres Problem ortet die Forscherin in der intensiven Nutzung von Fitness-Apps. Viele Hobby-SportlerInnen messen nicht nur Puls und Schritte, sondern geben die zu sich genommenen Kalorien ein, führen online Ernährungstagebücher und lassen sogar ihren Schlaf überwachen. „Alle diese Daten werden zentral gespeichert und sind damit in den Händen großer Konzerne.“ Was dort damit passiert, ob sie weiterverkauft werden, lässt sich schwer nachvollziehen, zumal außerhalb Europas andere Datenschutzrichtlinien gelten.
Ganz unverblümt nutzen manche Versicherungen intime Angaben ihrer KlientInnen. Sie ermutigen sie zur Verwendung von Fitness-Armbändern und locken mit vergünstigten Prämien für Verhalten, das Krankheiten vorbeugen soll. Selbst Betriebe geben Gadgets an MitarbeiterInnen aus, um sie zu gesundheitsförderlichen Maßnahmen zu motivieren. „Das greift sehr weit in den privaten Bereich ein, vor allem, wenn auch der Schlaf mit überwacht wird“, kritisiert Frischling.
Wie bei allen smarten Technologien sollten wir also abwägen, ob die Bequemlichkeit, die sie bringen, wirklich in sinnvoller Relation zu den höchst persönlichen Informationen steht, die wir im Gegenzug gratis an Konzerne liefern und zum potenziellen Missbrauch freigeben.
Einen ausführlichen Bericht zur Forschung von Barbara Frischling bringt die aktuelle Ausgabe der UNIZEIT.